Jörg Kremer, Storyteller, Brander, Neuromarketer (Foto: Carmen Bußmann)

 

 

 

Ich presse mir einen Espresso, spitze den extra dicken, dunkelgrünen Bleistiftklassiker Faber Castell 9000 in der Jumbo-Version, der sich für die ersten, fetten Stichworte ganz besonders empfiehlt und drücke das Graphit zu einem „Nie waren Geschichten wichtiger als 2018“ auf das Papier. Das nimmt die Farbe für diese Worte jedes Jahr dankbar an. Denn dieses Stichwort notiere ich seit gefühlten 20 Jahren jedes Jahr, ändere nur die Jahreszahl.

Und es stimmt. Es war jedes Jahr wichtig und wurde immer wichtiger, sich dies bewusst zu machen, weil Geschichten immer wichtiger wurden. Dabei ist das eine der ältesten Gewissheiten der Kommunikation. Wer die beste Geschichte hat, gewinnt die Emotion der Menschen und damit deren Hinwendungen und Handlungen.

Ich höre eine innere Stimme, die mich ruft, diese Botschaft dieses Jahr zu den großen Lagerfeuern zu tragen und sich verbreiten zu lassen. Wie? Mit einer Geschichte. Es ist aber etwas in mir, dass sich sträubt, für etwas zu werben, was selbstverständlich ist. Man wirbt ja auch nicht für ein Bier mit den Worten, dass es zuverlässig aus der Flasche läuft, wenn man diese kippt. Dann gibt es noch die Schar der Digitalspezialisten, gegen deren Themen meine Geschichte über Geschichten so unverhältnismäßig harmlos wirkt. Zweifel kommen auf. Aber indem ich die Geschichte über Geschichten schreibe, merke ich selbst, wie Geschichten wirken und arbeiten. Was wäre all die Technik, wenn man sie nicht mit Geschichten fütterte. Technik, keine Kommunikation.

Mit einer Maulklemme hänge ich meine Jumbo-Stichworte neben mich in meinen Alkoven Sessel, der mich von allem abschirmt, nur nicht von mir selbst. In dem ich mit meinem Denken und den Stichworten jetzt alleine bin, um sie mit der Tastatur zu vergeschichten. Durch dieses uterale Gefühl das dieser kleine Raum im Raum vermittelt, wird jede Geschichte zu einer Geburt, immer unter Schmerzen und immer von einem final lustvollen Lächeln gekrönt, wenn ich die Geschichte dann auf Papier gedruckt in Händen wiege.

Keine Ahnung, wie es anderen geht. Ist eigentlich auch egal. Aber zur finalen Bewertung einer neuen Geschichte, muss diese immer erst den Aggregatzustand von digital zu analog wechseln. Gedruckte Buchstaben kann ich besser bewerten. Die Verbalinjurien sind lustvoller zu sezten, man kann mit dem Text streiten und ihn sogar vernichten. Ich meine richtig vernichten. Zerreißen, zerknüllen, zerschneiden, alles mit zer-. Einen digitalen Text kann man löschen. Da fehlt aber diese tiefe, körperliche Befriedigung.

Wenn die Story gut ist, das Telling gefällt, dann darf der Text auf Papier irgendwo großkotzig rumliegen. Man kann ihn aufhängen und sich an bestimmten Formulierungen wider und wieder aufg….. oder sich einfach daran erfreuen.

Hat der Text diese analoge Phase überstanden und ist ausreichend im kleinen und engsten Kreis zur Geltung gekommen, besonders bei mir selbst, darf er wieder digital werden. Er wird nochmal gekämmt, zurechgezupft, damit er draußen eine gute Figur macht und verlässt mit diesem typischen Zischlaut mein MacBook Air.

Meist ist das der Beginn einer abenteuerlichen Reise. Die Geschichte wird gedruckt, digital veröffentlicht, von Menschen anderen Menschen erzählt, darf sich in manch spannendem Hirn niederlassen und körperlich wirken sowie auf Festplatten andere Geschichten aus dem digitalen Nest werfen.

Ich liebe Geschichten, ich liebe meinen Job.

Jörg Kremer ist Werber, Neuromarketer und Entwickler des Neuromarketingskonzepts biology first. Er startete früh mit einer Agentur für Corporate Design, entwickelte sich konsequent zum Corporate Advertiser, für den schon in den frühen Anfängen das Internet fest zur Kommunikation dazugehörte. Das alles bündelte er in einer Full Service Agentur. Zur Jahrtausendwende widmete sich Kremer dem neu entstehende Wissen in der Hirnforschung und der Evolutionspsychologie und entwickelte das Neuromarketingkonzept biology first. Heute gilt er unter dem Label Kremer und Konsorten als Spezialist für Neuromarketing, als Storyteller und Brander mit einzigartig umfangreichem Umsetzungswissen in vielen Branchen und nahezu jeder Anwendungssituation. Kremer hat vier Kinder und lebt heute im Ruhrgebiet.

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